Leicht chaotischer Schreibtisch mit herumliegenden Büchern und mehreren offenen Dokumenten auf dem Computer

Ist das jetzt schon ein Schreibritual?

Man hört ja immer wieder von der sogenannten Schreibroutine, die man als Autorschaft entwickeln sollte, um beständig am Ball zu bleiben, Fortschritte zu machen und so ein grandioses Buch nach dem anderen fertigzustellen. Teil dieser Schreibroutine sind sehr häufig mehr oder weniger rational erklärbare Rituale, die uns helfen sollen, durch die wiederholte Verknüpfung von Ritual und Schreiben den Schreibschalter in uns umzulegen – und so der Kreativität freien Lauf zu lassen. Bei manchen ist es eine angezündete Kerze, ein spezieller Bademantel, ein Gang ums Haus oder das Auftragen von einem ganz speziellen Duft. 

Während meines Studiums in Hildesheim, wo ich jeden Tag von den verschiedensten Autor*innen und ihren Ritualen umgeben war, habe ich sie alle mehr oder weniger durchprobiert. Mit Ausnahme von den drogenhaltigen Prozeduren habe ich Mützen getragen, spezielle Socken angezogen, die immergleiche Musik aufgelegt oder in einem Arbeitsjournal Notate vor jeder Schreibsitzung notiert. Ich habe geräuchert, getrunken, geatmet und semi rituelle Bewegungen ausgeführt. Die Kerze, die ich eine zeitlang neben dem Computer angezündet habe, steht noch immer da, auch wenn ich stets vergesse, sie zu entzünden. Was ich damit sagen will: nichts davon war bei mir von Dauer. Rituale und ich scheinen nicht zusammenzufinden.

Doch ein Schriftsteller ohne Schreibritual – geht das überhaupt? Um diese Frage beantworten zu können, habe ich die letzten Wochen ein Selbstexperiment gewagt. Ich habe mich (vielleicht angesichts einer dezenten Schreibflaute, aber wir wollen nicht kritischer sein als notwendig ist) zu Beginn einer jeden Schreibsitzung selbst beobachtet und präsentiere nun die Ergebnisse: 

Daniel Elias’ täglicher Schreibstart – ein Durchschnitt

  • Hinsetzen (Immer eine gute Idee, es sei denn man hat einen Steh-Schreibtisch)
  • Instagram (Keine gute Idee)
  • Projekt öffnen (Wunderbar!)
  • Ich brauche Hausschuhe! (Gut, notwenig. Wer kann mit kalten Füßen schreiben. Bringen wir es hinter uns)
  • Hinsetzen (Sehr gut!)
  • Offenes Dokument anstarren (Ein Anfang!)
  • Motzende Katze auf den Balkon rauslassen (Auf Mitbewohnerinnen muss Rücksicht genommen werden)
  • Hinsetzen (Sitzen, gut, moving on)
  • Spotify anmachen (Schreibambiente, fast schon ein Schreibritual, we love)
  • Hände eincremen (… ok, warum nicht)
  • Lesen, was bereits geschrieben wurde (YES! Los geht’s!)
  • Instagram (Nicht dein ernst …)
  • Mails lesen (Was … was passiert hier gerade?)
  • Blog überarbeiten (Entschuldigung, was?!)
  • Zurück zum Dokumentlesen (Gut so, Fokus!)
  • Schreibtisch sortieren (Können wir bitte einfach …)
  • Erste Änderungen am bereits geschriebenen Text (Ja, genau! Super, weiter so!)
  • Stuhlhöhe optimieren (Ok, wichtig. Gutes Sitzen ist nicht zu unterschätzen)
  • Weiterlesen (Ok, langsam könnten wir auch mal anfangen zu schreiben …)
  • Motzende Katze vom Balkon reinlassen (Auf Mitbewohnerinnen muss immer noch Rücksicht genommen werden)
  • Hinsetzen (scheint nicht zu unseren Stärken zu gehören)
  • Lesen (Komm schon!)
  • Einfall, dass ein Wecker gestellt werden muss, weil man später noch in der Buchhandlung arbeitet (Als ob man nicht permanent auf die Uhr starrt, statt zu schreiben … aber gut)
  • Satt Wecker Instagram (Ich brech’ ab!)
  • Wecker stellen (Atmen, einfach atmen …)
  • Handy auf den Esstisch legen (Sehr gut!)
  • Hinsetzen (Du schaffst es, ich glaube an dich. Mehr oder weniger.)
  • Lesen des bereits geschriebenen (Da waren wir schon mal)
  • Weitere Änderungen vornehmen (Ok, gut. Ein Fortschritt)
  • Erste Worte schreiben (YES!!)
  • Schreiben (T_T)
  • Schreiben (T__T)
  • … (Na, Gott sei Dank)

Nachdem ich mich eine Weile selbst beim Schreiben beobachtet habe, sind mir nun folgende Dinge als beachtenswert aufgefallen.

Nummer 1: ich bin nicht gut im Hinsetzen. Sitzen und sitzenbleiben sind nicht meine Stärke.

Nummer 2: Das Schreiben und ich scheinen zunächst erst einmal ein kleines Tänzchen aufführen zu müssen, ein bisschen umeinander herumzutanzen, ehe es wirklich losgehen kann. Je nach Tagesform dauert unser Tanz von fünf Minuten bis zu einer guten Stunde. Aber ohne scheint es nicht zu gehen.

Jetzt meine Frage an mich und die schreibende Community: Ist das jetzt schon ein Schreibritual? Oder sollte ich mir eins zulegen, in der Hoffnung, dass mir all das Getanzt erspart bleibt? Was denkt ihr? Würde eine Kerze gegen das Tanzen helfen?

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